Andacht vom 17.5.23: Das wohl bekannteste Sommer-Kirchenlied

„Geh aus, mein Herz, und suche Freud“ – an- und weitergedacht:

(EG 503)

1. Geh aus, mein Herz, und suche Freud
in dieser lieben Sommerzeit
an deines Gottes Gaben;
schau an der schönen Gärten Zier
und siehe, wie sie mir und dir
sich ausgeschmücket haben,
sich ausgeschmücket haben.

2. Die Bäume stehen voller Laub,
das Erdreich decket seinen Staub
mit einem grünen Kleide;
Narzissus und die Tulipan,
die ziehen sich viel schöner an
als Salomonis Seide,
als Salomonis Seide.

3. Die Lerche schwingt sich in die Luft,
das Täublein fliegt aus seiner Kluft
und macht sich in die Wälder;
die hoch begabte Nachtigall
ergötzt und füllt mit ihrem Schall
Berg, Hügel, Tal und Felder,
Berg, Hügel, Tal und Felder.

4. Die Glucke führt ihr Völklein aus,
der Storch baut und bewohnt sein Haus,
das Schwälblein speist die Jungen,
der schnelle Hirsch, das leichte Reh
ist froh und kommt aus seiner Höh
ins tiefe Gras gesprungen,
ins tiefe Gras gesprungen.

5. Die Bächlein rauschen in dem Sand
und malen sich an ihrem Rand
mit schattenreichen Myrten;
die Wiesen liegen hart dabei
und klingen ganz vom Lustgeschrei
der Schaf und ihrer Hirten,
der Schaf und ihrer Hirten.

6. Die unverdrossne Bienenschar
fliegt hin und her, sucht hier und da
ihr edle Honigspeise;
des süßen Weinstocks starker Saft
bringt täglich neue Stärk und Kraft
in seinem schwachen Reise,
in seinem schwachen Reise.

7. Der Weizen wächset mit Gewalt;
darüber jauchzet Jung und Alt
und rühmt die große Güte
des, der so überfließend labt
und mit so manchem Gut begabt
das menschliche Gemüte,
das menschliche Gemüte.

8. Ich selber kann und mag nicht ruhn,
des großen Gottes großes Tun
erweckt mir alle Sinnen;
ich singe mit, wenn alles singt,
und lasse, was dem Höchsten klingt

aus meinem Herzen rinnen,
aus meinem Herzen rinnen.

Paul Gerhardt hat 1653 dieses Lied gedichtet. Wir lassen uns an diese Zeit erinnern: 1648, fünf Jahre vorher, war der 30-jährige Krieg zu Ende gegangen. Bittere Armut herrschte auf dem Lande, es gab zu wenig Menschen, die arbeiten und das Land bebauen konnten, denn alles war zerstört und oft verwahrlost. Trotzdem oder gerade deshalb hat Paul Gerhardt diesen Sommerpsalm geschrieben.

“Geh aus, mein Herz” – so beginnt dieses Lied. Das ist nicht so dahingesagt, das Herz hat hier eine große inhaltliche Bedeutung. Gemeint ist das Herz als das Zentrum des ganzen Menschen, seine „geistliche Lebenszentrale“. Wenn Paul Gerhardt sich so ermuntert, dann weiß er sich geleitet von Gottes Wort, und von dem, was er als Christ gelernt hat, etwa im Katechismus Martin Luthers: “Ich glaube, dass mich Gott geschaffen hat, samt allen Kreaturen”. Um diese Kreaturen geht es, wenn er sich auffordert: “Geh aus, mein Herz, und suche Freud in dieser lieben Sommerzeit an deines Gottes Gaben.” Mit Freude ist nicht das Vergnügen gemeint, sondern hier geht es um ein Schauen dessen, was Gottes Schöpfermacht uns sehen lässt.

In den Strophen 2 – 7 folgt ein breites Feld von Beispielen, die Gottes Schöpfung beschreiben. Eines nehme ich besonders heraus: “Der Weizen wächset mit Gewalt”- das ist ein Zeichen der großen Güte “des, der so überflüssig labt und mit so manchem Gut begabt das menschliche Gemüte!”

Erst in der 8.Strophe kommt der Liederdichter wieder selbst vor: “Ich selber kann und mag nicht ruh‘n, des großen Gottes großes Tun erweckt mir alle Sinnen”. Mit dem Herzen und allen Sinnen dieses Tun wahrnehmen: Das ermutigt auch uns, für den Erhalt von Gottes guter Schöpfung weiterhin zu beten und zu arbeiten.

9. Ach, denk ich, bist du hier so schön
und lässt du’s uns so lieblich gehn
auf dieser armen Erden:
Was will doch wohl nach dieser Welt
dort in dem reichen Himmelszelt
und güldnen Schlosse werden,
und güldnen Schlosse werden!

10. Welch hohe Lust, welch heller Schein
wird wohl in Christi Garten sein!
Wie muss es da wohl klingen,
da so viel tausend Seraphim
mit unverdrossnem Mund und Stimm
ihr Halleluja singen,
ihr Halleluja singen.

11. O wär ich da! O stünd ich schon,
ach süßer Gott, vor deinem Thron
und trüge meine Palmen:
So wollt ich nach der Engel Weis
erhöhen deines Namens Preis
mit tausend schönen Psalmen,
mit tausend schönen Psalmen.

12. Doch gleichwohl will ich, weil ich noch
hier trage dieses Leibes Joch,
auch nicht gar stille schweigen;
mein Herze soll sich fort und fort
an diesem und an allem Ort
zu deinem Lobe neigen,
zu deinem Lobe neigen.

13. Hilf mir und segne meinen Geist
mit Segen, der vom Himmel fleußt,
dass ich dir stetig blühe;
gib, dass der Sommer deiner Gnad
in meiner Seele früh und spat
viel Glaubensfrüchte ziehe,
viel Glaubensfrüchte ziehe.

14. Mach in mir deinem Geiste Raum,
dass ich dir werd ein guter Baum,
und lass mich Wurzel treiben.
Verleihe, dass zu deinem Ruhm
ich deines Gartens schöne Blum
und Pflanze möge bleiben,
und Pflanze möge bleiben.

15. Erwähle mich zum Paradeis
und lass mich bis zur letzten Reis
an Leib und Seele grünen,
so will ich dir und deiner Ehr
allein und sonsten keinem mehr
hier und dort ewig dienen,
hier und dort ewig dienen.

Mit Strophe 9 und 10 folgt nun eine ganz andere Blickrichtung: “Ach denk ich” – so beginnt Paul Gerhardt, und dieses “denk ich” meint kein vernunftgeprägtes Nachsinnen, sondern ein Sprechen des Herzens, das von Hoffnung geprägt ist und die Gedanken noch weiterführt. Dabei ist er aber ganz behutsam : “was will doch wohl im Himmel sein … wie muss es da wohl klingen?”

In Strophe 11 kommt ein ganz starkes Jenseitsverlangen zum Ausdruck, doch dies beendet Paul Gerhardt sogleich wieder in Strophe 12, indem er feststellt: “Doch gleichwohl will ich, weil ich noch / hier trage dieses Leibes Joch, auch nicht gar stille schweigen, mein Herze soll sich fort und fort / an diesem und an jenem Ort zu deinem Lobe neigen.” Und so bittet er in Strophe 14 Gott um seinen Geist, denn auch er wusste schon um seine Mitverantwortung für den Erhalt dessen guter Schöpfung.

Insgesamt sind die letzten Strophen ein Gebet um Gottes Segen, das die ersten Strophen wieder aufnimmt:

– Dass ich dir stetig blühe

– Der Sommer deiner Gnad

– Dass ich dir werd` ein guter Baum

– Dass ich deines Gartens schöne Blum und Pflanze    möge bleiben

– Und schließlich: Und lass mich bis zur letzten Reis an Leib und Seele grünen.

Trotz Pandemie, trotz Kriegen und Klimawandel und trotz all unserer persönlichen Sorgen und Ängsten soll uns dieses Lied ermuntern, auch in unserem Leben Gottes Schöpferkraft und Güte wahrzunehmen und unser ganzes Leben davon erfüllen zu lassen:

Wir singen mit, wenn alles singt, und lassen, was dem Höchsten klingt, aus unsern Herzen rinnen – zu seinem Lob und zu seiner Ehre!

Ulrich Hurschmann