Auf Seele, Gott zu loben (EG 690)

Gedanken zu einem „Sommerlied“
von Annette Güldner Pfarrerin i.R.

Auf, Seele, Gott zu loben.
Gar herrlich steht sein Haus!
Er spannt den Himmel droben
gleich einem Teppich aus.
Er fährt auf Wolkenwagen
und Flammen sind sein Kleid.
Windfittiche ihn tragen,
zu Diensten ihm bereit.

Der Text des Liedes ist eine Nachdichtung von Psalm 104. In der Übersetzung der Basisbibel ist er ganz treffend mit „Gottes wunderbare Welt“ überschrieben, denn um deren den Schöpfer dankbar lobende Schilderung geht es in diesem Psalm.

Für mich gehört das Lied neben „Geh aus, meine Herz und suche Freud“
zum Sommer dazu wie Erdbeerkuchen essen und mit nackten Füßen durch den Eifgenbach waten. Unbändige Freude an Gottes herrlicher Schöpfung und gleichzeitig auch Demut und Ehrfurcht angesichts ihrer Schönheit:
Das sind Gefühle, die uns im Sommer und mitten in der Natur besonders leicht anmuten. Beim Hören und Nachlesen oder Singen der nächsten Strophen werden Ihnen sicher Ihre eigenen Beispiele dafür einfallen:

Gott hat das Licht entzündet,
er schuf des Himmels Heer.
Das Erdreich ward gegründet,
gesondert Berg und Meer.
Die kühlen Brunnen quellen
im jauchzend grünen Grund,
die klaren Wasser schnellen
aus Schlucht und Bergesgrund.

Vom Tau die Gräser blinken,
im Wald die Quelle quillt,
daraus die Tiere trinken,
die Vögel und das Wild.
Die Vögel in den Zweigen
lobsingen dir in Ruh
und alle Bäume neigen
dir ihre Früchte zu.

Gott lässet Saaten werden
zur Nahrung Mensch und Vieh.
Er bringet aus der Erden
das Brot und sättigt sie.
Er sparet nicht an Güte
die Herzen zu erfreun.
Er schenkt die Zeit der Blüte,
gibt Früchte, Öl und Wein.

Der Wald hat ihn erschauet
und steht in Schmuck und Zier.
Gott hat den Berg gebauet
zur Zuflucht dem Getier.
Das Jahr danach zu teilen
hat er den Mond gemacht.
Er lässt die Sonne eilen
und gibt den Trost der Nacht.

Die Melodie ist 373 Jahre älter als der Text und wurde von Johann Steurlein komponiert. Der ursprünglich weltliche Text ist ein Liebeslied: „Mit Lieb bin ich umfangen“. Eine erste geistliche Fassung wurde Anfang des 17. Jahrhunderts von Martin Behm gedichtet: „Wie lieblich ist der Maien“ (EG 501).
Der Text nach Psalm 104 stammt von einer der wenigen Dichterinnen, die es in unser Gesangbuch geschafft haben: Martha Müller-Zitzke. Sie war eine ebenso schlichte wie fromme Frau. 1899 in Bodenfelde an der Weser geboren und dort auch 1972 gestorben, gehörte sie einer evangelischen Freikirche, einer Baptistengemeinde an. Sie hat auch noch weitere Psalm-Nachdichtungen und christliche Lyrik verfasst. Den Text zu „Auf Seele, Gott zu loben“ schrieb sie 1947.

Ich habe versucht, mich in diese Zeit hinein zu fühlen. Die Älteren von Ihnen haben sie zumindest als Kinder selbst erlebt: Nach dem Ende des 2. Weltkrieges war die Zerstörung noch überall gegenwärtig. Im ersten vollen Friedensjahr 1946 erlebte Europa einen extrem trockenen und heißen Sommer mit entsprechend schlechten Ernten und dann von 1946 auf 47 den kältesten und härtesten Winter des 20. Jahrhunderts. Als „weißen Tod und schwarzen Hunger“ beschrieben die Menschen in Deutschland damals ihr Leiden. Den Menschen in den Ländern der Siegermächte ging es nicht besser, den Menschen in der Sowjetunion sogar noch schlechter. In Deutschland litt man zudem unter den Bedingungen der Besatzung durch die Alliierten. Orientierungslosigkeit und unverarbeitete Schuld nach dem Ende der Nazidiktatur prägte das Denken und Fühlen.

Sogenannte „Displaced People“, oft jüdische Überlebende der Konzentrationslager, fanden sich in Auffanglagern wieder – abermals hinter Stacheldraht. Jetzt zum Schutz vor der nun selbst hungernden Bevölkerung, die wieder einmal Sündenböcke für ihr eigenes Elend suchte. Und überall gab es herumirrende Flüchtlinge, die nirgendwo willkommen waren. Ruinen in Dörfern und Städten, aber auch und vor allem in den Seelen der Menschen. Martha Müller-Zitzke, lebens- und glaubenserfahren genug, fragt angesichts all dessen nicht, wie Gott so viel Elend zulassen kann, sondern ermuntert ihre Seele, Gott zu loben. Ihre Seele ermuntern, also sich einen Ruck geben, das muss sie wohl: „Auf, Seele, Gott zu loben!“ Aber, ich zitiere die Dichterin: “Das Gotteslob gereift in schwerer Bedrängnis.“ Gott zu loben für die weise Ordnung seiner Schöpfung, die genug für alle hat, die Leben und Nahrung im Überfluss hervorbringt, solange wir Menschen unsere Lebensgrundlagen nicht selbst zerstören, das ist keineswegs naiv und weltfremd. Das ist die Stärke derer, die ihren Platz in der Schöpfung kennen und anerkennen und sich nicht in maßloser Selbstüberschätzung über ihren Schöpfer erheben.

Den Menschen heißt am Morgen
er an das Tagwerk gehen,
lässt ihn in Plag und Sorgen
das Werk der Allmacht sehn.
Er ist der treue Hüter,
wacht über Meer und Land,
die Erd ist voll der Güter
und Gaben seiner Hand.

Lass dir das Lied gefallen.
Mein Herz in Freuden steht.
Dein Loblied soll erschallen,
solang mein Odem geht.
Du tilgst des Sünders Fehle
und bist mit Gnade nah.
Lob Gott, oh meine Seele,
sing ihm Halleluja!

Trotz Krieg, trotz Schuld, trotz Klimakatastrophe, trotz aller Gottvergessenheit steht Gott zu seinem Bund mit uns Menschen: Er ist „mit Gnade nah“. Gott hat noch Geduld mit uns. Nicht nur mit jedem neugeborenen Kind zeigt Gott uns besonders eindrücklich, dass er uns noch nicht aufgegeben hat!
Er ist mit Gnade nah und wer sich bewusst bleibt, wie sehr wir der Gnade bedürfen, wer sein Leben „dem treuen Hüter“ anvertraut, wird die Zeichen für den Sieg des Lebens immer wieder erkennen. Auch und gerade in schweren Zeiten. Der und die werden immer wieder den Mut finden, mit Gottes Hilfe für das Leben einzutreten und zu kämpfen, werden es immer wieder schaffen, gegen alle lebensfeindlichen Mächte das vielstimmige „Halleluja – Gelobt sei Gott“ anzusingen und anzulieben.

Gebet
Darum bitten wir dich, guter Gott:

Hilf uns in diesem Sommer – trotz aller offensichtlichen Zerstörung – die Wunder deiner Schöpfung zu sehen und uns darüber zu freuen! Zeige uns deine Wege der Versöhnung und des Lebens und mach uns stark, diese Wege dann auch mutig zu gehen!
Barmherziger Gott, wir danken dir, dass du immer noch Geduld mit uns hast!
Amen.

Text und Fotos:
Annette Güldner, Pfarrerin i.R.