Du betrachtest gerade 800 Jahre Reformationskirche ein Interview mit Dieter Falk
Prof. Dieter Falk und Diakonin Verena Kipp

Interview mit Dieter Falk, der am 08. Februar 2025 um 18 Uhr ein Jubiläumskonzert in der Reformationskirche spielt

„Musik kann Freude und Spaß in die Kirchen transportieren“

Einige kennen Dieter Falk vielleicht noch aus seiner Zeit als Teil der Popstars-Jury. Aber die meisten kennen wohl eher die Menschen und Bands, für die oder mit denen der preisgekrönte Pianist Musik produziert(e). Dazu zählen unter vielen anderen PUR, Pe Werner, Paul Young, Brings, Nino de Angelo, Detlev Jöcker und Steve Lukather (Toto). Dieter Falk ist außerdem Professor für Musikproduktion an der Düsseldorfer Robert-Schumann-Hochschule. Und noch einiges mehr, wie Sie gleich lesen werden. Obwohl er momentan (wie recht oft) ziemlich beschäftigt ist, hat er sich die Zeit für ein Interview mit unserer Diakonin Verena Kipp genommen! Das könnte daran liegen, dass sie seine Physiotherapeutin ist …

Das Foto zeigt Dieter Falk und Verena Kipp in der Reformationskirche. Beide lauschen gespannt den Fragen von Bernd Schuknecht (nicht im Bild), der im Auftrag der Rheinischen Post da war. Erst danach führte Verena Kipp das Interview für unsere Website und unser Gemeindemagazin, den einBlick.

Ich arbeite am Evangelischen Schulzentrum in Hilden und habe den Jugendlichen dort stolz berichtet, dass du am 08.02.2025 im Rahmen der 800-Jahresfeier in der Reformationskirche ein Konzert geben wirst. Die Reaktion: fragende Gesichter. Es gibt also tatsächlich Menschen, die überhaupt nicht wissen, wer du bist. Könntest du dich mal kurz vorstellen.

(lacht) Ja, da ich als Musikproduzent lange Jahre im Hintergrund gearbeitet habe, kennen mich viele Menschen nicht. Das ist verständlich. Mein Arbeitsplatz war eher das Mischpult, der Künstler stand im Vordergrund. Das änderte sich erst, als ich 2006 als Jurymitglied bei einer Castingshow vor die Kamera trat.

Also: Ich bin Familienvater – Musiker – Musikproduzent und seit über 40 Jahren musikalisch tätig. Ich komponiere viel, schreibe Musicals, derzeit eines für Wien über Maria Theresia.

Meine ersten „Bühnenerfahrungen“ habe ich, wie viele andere Musiker übrigens auch, in der Kirche gemacht. Ich komme aus der kirchlichen Jugendarbeit und habe davon sehr profitiert. Diesen Werdegang haben, wie gesagt, viele Künstler, nur trauen sich viele nicht, dies zu sagen, weil sie das „unsexy“ finden. In Amerika, wo ich auch gelebt und gearbeitet habe, ist das anders: Größen wie Whitney Houston, die ja leider nicht mehr lebt, Mariah Carey, Justin Bieber und Beyoncé, sie alle haben in Kirchen angefangen Musik zu machen. So wie ich.

Du bist zum Beispiel auch Produzent von musikalischen Größen wie Karel Gott, Howard Carpendale oder Guildo Horn und natürlich noch vielen anderen gewesen. Deine Ursprünge sind jedoch, wie du gerade erzählt hast, in der Kirchenmusik verwurzelt. Ich habe auch gelesen, dass deine erste Soloplatte Choräle enthielt. Deine erste Langspielplatte hatte sogar einen christlichen Schwerpunkt. Was bedeutet dir die Kirchenmusik?

Ja vor 40 Jahren, 1985, habe ich die ersten eigenen Platten veröffentlicht: „On Time“ und „Instrumental Journey.“ Darauf habe ich Choräle verpoppt, damals gab es dafür noch ziemlich viel Kritik von den Kirchenmusikern. Das normale Publikum fand es eigentlich eher gut. Damals fing ich an, mit Ecken und Kanten gegen den kulturellen Strom der Kirche zu schwimmen. Das Wort „rebellieren“ ginge vielleicht zu weit, aber sagen wir so: Meine verjazzten Choräle waren in den 1980ern schon umstritten. Mein großes Vorbild ist J.S. Bach, er war für seine Zeit stilistisch ganz weit vorne und vielleicht sogar revolutionär. Und wenn er noch leben würde, jetzt und hier, säße er auch hinterm MacBook und würde Musik erfinden, die anders klänge als zu seiner Zeit. Und das ist der Grund, wieso ich in den letzten 40 Jahren in der Kirche  versuche, mit meinen bescheidenen Mitteln etwas in Bewegung zu bringen. Wieso ich das tue? Weil ich gläubiger Christ bin. In kirchlicher Jugendarbeit liegen meine Anfänge, daher ist sie mir unheimlich wichtig. Auch bei meinen eigenen Kindern habe ich gesehen, dass kirchliche Jugendarbeit nach wie vor Großartiges leistet, und Musik spielt dabei eine große Rolle. Das ist der Grund, warum ich hier heute sitze.

Johann Sebastian Bach gilt als der fünfte Evangelist, und auch Luther hatte schon erkannt, dass Musik einen besonderen Zugang zu den Menschen hat. Musik trägt zur Bildung bei, aus den Texten und aus der Melodie kann man viel lernen, und daher ist sie ein besonderer Teil der Wortverkündigung.

Jetzt hast du diese wunderbaren Werke wie die Musicals „Die 10 Gebote“ – „Luther“ und „Bethlehem“ geschrieben. Was wolltest Du damit aussagen?

Zusammen mit Michael Kunze habe ich vor 15 Jahren angefangen, biblische Themen in große Bühnenstücke zu packen, weil es Geschichten sind, die auch noch heute eine große Relevanz haben. Die zehn Gebote sind nicht nur die Grundlage für viele demokratische Verfassungen, sondern darüber hinaus auch Richtlinien für menschliches Zusammenleben. Und Martin Luther ist eine spannende Figur. Er hat viel bewegt, und die Welt nach ihm war nicht mehr die gleiche wie zuvor. Deshalb haben wir diese beiden Themen angepackt haben. Michael Kunze, ein sehr erfolgreicher Bühnenautor, kommt nicht aus kirchlichen Kreisen. Ihn faszinieren aber diese biblischen Geschichten. Auch bei dem neuen Weihnachtsmusical „Bethlehem“, wo man in dem eskalierenden Nahost-Konflikt sieht, wie aktuell die Weihnachtsgeschichte plötzlich sein kann. Es geht in der Weihnachtsgeschichte eben noch um viel mehr als nur um die Geburt von Jesus Christus. Bethlehem, als Stadt in einem geteilten Heiligen Land, ist Sinnbild für politische und gesellschaftliche Probleme unserer Zeit. Michael Kunze fand das Thema so interessant, dass er mich schon vor Jahren überredet hat, ein Weihnachtsstück zu schreiben. Na ja, ich musste nicht lange überredet werden, aber wir haben lange darüber diskutiert, ob wir das Thema machen. Weihnachten ist in den Kirchen immer viel los. Und die Gefahr bestand durchaus, dass wir keinen Publikumserfolg erreichen würden, aber wir haben das Stück, zusammen mit dem Veranstalter Creative Kirche, nach drei Jahren Corona-Pause endlich auf die Bühne gebracht. 14.000 Besucher haben im Dezember 2023 die beiden Shows in Düsseldorf gesehen, und 3.000 Menschen haben in dem Chor mitgesungen. Diesen Advent geht es in Dortmund, Hannover und Mannheim weiter.

Musstest du da viel theologisch aufarbeiten? Oder bist du in Kreisen unterwegs, in denen die Menschen wissen, worum es in der Weihnachtsgeschichte geht?

Oh, das ist sehr unterschiedlich. Ich bin ja in meinem normalen beruflichen Umfeld so gar nicht in Kirchenkreisen unterwegs. Und wenn mich jemand zum Thema etwas fragt, dann muss ich das schon ein bisschen erläutern. Jetzt bin ich zwar kein Theologe, aber ich habe vor sehr langer Zeit auch ein paar Semester Theologie studiert. Die Geschichten oder die gesellschaftlich politische Relevanz, die hinter diesen Bühnenstücken steckt, die sind uns – Michael und mir – natürlich sehr bewusst. Und die gilt es auch zu transportieren, zum Beispiel auch in Interviews. Den 3.000 Mitwirkenden erklären wir ebenfalls, was wir uns beim Schreiben des Stücks gedacht haben, was unsere Intention ist. Und gerade in diesen unfassbar spannenden Zeiten – politisch, gesellschaftlich – ist so ein Zusammengehörigkeitsgefühl wichtiger denn je, auch in einem großen Chor.

Holst du dir theologische Inspiration für eure Musicals? Oder hast du Menschen, mit denen du zusammenarbeitest um noch ein wenig mehr Hintergrundwissen zu erlangen? Oder ziehst du dein Wissen aus deinem Studium?

Ich bin der Komponist, Michael Kunze der Autor, da gibt es viele Treffen, bei denen man ausführlich über den Plot, die Handlung, den Hintergrund spricht. Darüber hinaus lese ich viel, recherchiere und bereite mich intensiv auf unsere Musical-Themen vor. Aber am wichtigsten ist die Diskussion, auch mit Andersdenkenden über so ein Thema. Ich werde nicht vergessen, wie ich damals meinem Nachbar erzählt habe, dass ich ein Musical über die zehn Gebote schreibe. Sein Kommentar war: „Wen willst du denn damit hinterm Ofen vorholen?“ Dieses Thema ist leider vielen fremd geworden. Dann fängt man an sich auszutauschen.  Und jetzt, 12 Jahre danach, kann ich sagen, das Thema hat funktioniert: Es hat fast 200.000 Menschen in die Hallen gelockt und 12.000 haben mitgesungen. Aber das war vorher nicht klar. Es war wichtig aufzuzeigen, was die Gebote für eine Bedeutung jenseits von Kirchenbänken haben.

Wenn ich mit Menschen außerhalb des Kirchenkreises spreche, muss ich mich öfter rechtfertigen, für die Kirche zu arbeiten. – Hast du ähnliches erlebt? Du bist bekennender Christ, gehörst der Kirche aktiv an – spielt das eine Rolle in deinem Leben?

Nein, eigentlich nicht. Ich weiß, dass das passiert, bin da aber ziemlich offensiv. Das ist mein Beruf, ich bin Musiker und dazu gehört, auch Konzerte in Kirchen zu geben und religiöse Themen aufzunehmen. Aber wenn ich christliche Plots nehme, dann mache ich das vor allen Dingen, weil ich eine ganz große gesellschaftliche Bedeutung dafür sehe. Ich glaube, dass wir mit breiter Brust als Christen auftreten müssen und können. Auch in diesen schwierigen Zeiten. Das fällt vielen momentan schwer – aus verständlichen Gründen – aber: Wir haben eine gute Botschaft. – Und wir haben vor allem ein großes ehrenamtliches Engagement von Menschen. Kirche hat viel anzubieten, auch für die große breite Gesellschaft.

Also verstehst du dich als musikalischer Missionar?

Also das „Missionar-Wort“ würde ich nicht wählen. Ich bin absolut kein Holzhammer-Missionar. Wenn mich Leute zum Beispiel private Sachen fragen, oder Dinge, die meinen Glauben betreffen, dann antworte ich eher beim Glas Wein unter vier Augen oder in einer kleinen Runde. Ich bin keiner, der sich öffentlich hinstellt und ein „Zeugnis“ ablegt. – Aber in Konzerten gibt es einige zentrale Songs, die ich kurz inhaltlich anmoderiere. Das ist dann aber keine Predigt. Mir fällt gerade ein: In meinem letzten Workshop bei der ProSieben Popstars-TV-Sendung habe ich mit den zwanzig Mädels den Gospelsong „Oh Happy Day“ gesungen. Habe einer breit gefächerten Gruppe von Muslimas, Christinnen aber auch Atheistinnen auf Nachfrage erzählt, was mir dieser Song bedeutet. Musik ist eine wunderbare Möglichkeit, über Glauben zu sprechen. Musik kann Freude und Spaß in die Kirchen transportieren. Das ist mir wichtig.

Was ja durchaus einen missionarischen Charakter haben kann …

Wenn man so will, ja, aber dann müssen andere darauf kommen, mich zu fragen und ich antworte.

Jetzt sind wir ja in einer Zeit der vielen und hohen Kirchenaustrittszahlen. Was bedeutet das für dich?

Ich sehe natürlich, dass die Gesellschaft sich völlig verändert hat, die Leute haben ihr Freizeitdenken vollkommen geändert: Work-Life-Balance findet oft jenseits von Kirche statt. – Und das macht mich nachdenklich – auf der einen Seite. Auf der anderen Seite sehe ich es aber auch als eine Herausforderung. Und meine Erfahrung ist schon, dass von den 14.000 Menschen, die unser Musical „Bethlehem“ in Düsseldorf im Dezember 2023 besucht haben, mindestens die Hälfte keine Kirchenmitglieder waren, sondern einfach gekommen sind, weil sie einen unterhaltsamen Abend haben wollten. Sie wollten eine große Show sehen, aber mit Inhalten und einer Botschaft, die eigentlich sonntags in Kirchen stattfindet.

„Große Show“ ist unser Stichwort: Was erwartet uns hier am 08.02.25 in der Reformationskirche?

Ich schaue gerade hier so durch die Kirche und ich weiß, dass wir ein wenig lauter sein werden, als wir zwei jetzt hier. Es wird ein sehr interaktiver Abend, es wird natürlich auch rockig und jazzig. An einem Punkt rufen mir die Besucher immer Lieder zu, die ich spontan improvisieren muss. Natürlich gibt es Teile, die stets wiederkehren, aber für Hilden werde ich mir auf jeden Fall etwas Schönes überlegen. Und Martin Luther wird sicherlich im Zuge der 800-Jahresfeier einen Platz in meinem Programm bekommen.

Dafür wollen wir uns sehr herzlich bedanken. Das ist nicht selbstverständlich, dass du kommst und ein ganz toller Beitrag für unsere 800-Jahresfeier sein wirst.

Sehr gerne!

Die Karten für das Konzert mit Dieter Falk kosten im Vorverkauf 18 Euro, ermäßigt 9 Euro, und an der Abendkasse 20 Euro, ermäßigt 10 Euro.

Der Vorverkauf beginnt am 9.12.25 um 18 Uhr: www.neanderticket.de/538293

Tipps von Dieter Falk für die Nachwuchskomponistinnen und –produzenten in unserer Gemeinde

Mit Programmen wie GarageBand, Audacity oder FL Studio mixen bereits einige Jugendliche ihre eigenen Songs. Was würdest du ihnen raten, wenn sie den eingeschlagenen Weg weiterverfolgen wollen?

Ich habe auch einen Sohn, der den gleichen Beruf ergriffen hat, obwohl wir in schwierigen Zeiten dafür sind. Spotify ist eigentlich ökonomisch der Tod von Musik. Und trotzdem komponiert und produziert er heute viel – auch erfolgreich. Für Helene Fischer zum Beispiel. Aber ich weiß, wie schwer das ist, heute in der Branche zu landen. Und ich kann immer nur den Rat geben: Probiert einfach so viel wie möglich und so früh wie möglich. Geht spielerisch an die Musik heran. Und mit Garage Band, Logic Pro oder Audacity kann man das recht einfach tun. Vergleicht eure Songs mit denen eurer Vorbilder und schaut, wo Ihr euch verbessern könnt. Auch soundmäßig. Und ich würde einfach sagen, ich lade junge Talente aus Hilden und Umgebung ein, mir Ihre Songs zum Beispiel in einem Schulzentrum vorzuspielen. Und vielleicht sind das dann ja die Talente, die ich in drei Jahren in der Musikhochschule beim Studium wiedertreffe.

Würdest du dazu auch mal ins Evangelische Schulzentrum kommen? Wenn ich zum Beispiel eine Projektgruppe finde?

Ja. Im Januar könnte ich zu dir in die Schule kommen und mit interessierten Schülern und auch Lehrern zusammen eine Session machen.

Aktuell befinden wir uns, was dieses tolle Angebot der Nachwuchsförderung angeht, noch in der Planung. Egal, welche Schule jemand besucht: Alle, die Interesse an einer Teilnahme haben, dürfen sich gern per Mail an verena.kipp@ekir.de wenden. Sobald der erste Termin steht, veröffentlichen wir ihn auf unserer Homepage.