Du betrachtest gerade Das Krippenspiel und was dahintersteckt (3.Teil)

#3 Das Problem mit der Herberge

Die Suche nach einer Herberge ist ein zentraler Teil in jedem Krippenspiel. Die schwangere Maria steht kurz vor der Niederkunft. Nach einem langen Fußmarsch völlig abgekämpft trifft sie mit ihrem Ehemann auf einen genervten Herbergsvater. Das Paar wird fortgejagt und kommt schließlich in einem Stall unter.

Was sagt denn die Bibel dazu?

In Lukas 2, 7 steht: „Maria brachte ihren ersten Sohn zur Welt. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Futterkrippe. Denn sie hatten in der Herberge keinen Platz gefunden.“

Hier lesen wir gar nichts von einem Wirt, der die Heilige Familie wegschickt. Wieso wird er dann im Krippenspiel so schlecht dargestellt?

Schauen wir kurz auf die historischen Fakten:

Es gibt viele verschiedene Meinungen, wo Jesus tatsächlich geboren wurde. Sicher kann man sagen, dass man nichts sicher sagen kann. Nicht einmal der Geburtsort Bethlehem steht hundertprozentig fest. Auch der Stall als Geburtsort ist stark umstritten. Die frühe Kirche (150 bis 400 nach Christus) war jedenfalls der festen Meinung, dass Jesus nur in einer Höhle zur Welt gekommen sein kann. Da wundert es auch niemanden, dass sich Helena, die Mutter von Kaiser Konstantin, in Bethlehem auf die Suche machte und natürlich genau diese Höhle fand. Sie ließ an dieser Stelle eine Basilika erreichten. Bei der Decke der Krypta handelt es sich tatsächlich um einen Felsen, der ursprünglich die Decke einer natürlichen Höhle bildete.

Auf wackeligem Fundament steht auch die Behauptung, dass das Heilige Paar keine Unterkunft gefunden hat. Hier darf man sich auf die orientalische Gastfreundlichkeit berufen, bei der davon auszugehen ist, dass eine hochschwangere Frau auf keinen Fall abgewiesen worden wäre. In der Bibel steht auch lediglich, dass sie in der Herberge „keinen Platz“ gefunden haben. In der griechischen Übersetzung findet sich das Wort: katalyma. Ein Begriff, der häufig für Gast- oder Gästezimmer verwendet wird. Nun waren die Gästezimmer der damaligen Zeit nicht sehr groß. Die Wohnhäuser, vor allem die der ärmeren Menschen, bestanden damals aus lediglich zwei Räumen sowie einem kleinen Hof. Ein Teil des größeren Raumes war mit Holz ausgelegt. Er fungierte als Wohnraum. Hier fand das Leben der Menschen statt. Es gab eine Feuerstelle sowie Schlafmöglichkeiten. Der andere Teil wurde für das Vieh benutzt, das sich vor allem in den kühleren Monaten im Hause aufhielt. Und natürlich konnte man dort auch eine Futterkrippe finden. Im zweiten, kleineren Raum befand sich das katalyma, also das Gästezimmer. Die Bezeichnung „Zimmer“ würde man wahrscheinlich heute nicht mehr benutzen, sondern es eher als „Nische“ bezeichnen.

Es ist also Folgendes anzunehmen:  Wahrscheinlich sind Maria und Josef bei Verwandten im Gästezimmer untergekommen. Für einen Geburtsvorgang, in den bestimmt sämtliche Bewohner des Hauses involviert waren, war dieses „Gästezimmer“ jedoch zu klein. Es war „kein Platz in der Herberge“. Folglich wurde die Geburt in den Wohnraum verlegt und damit das neugeborene Kind es auch schön warm hatte, legte die frisch gebackene Mutter es in die Futterkrippe.

Warum wurde dann aber gerade dieses behagliche Szenario so anders dargestellt? Man könnte meinen, es hätte lediglich stilistische Gründe. Ein gewisses Drama macht doch eine Geschichte erst so richtig interessant. Aber nein. Der Geburtsort und die Abweisung haben tiefe theologische Gründe.

Bethlehem als Geburtsort zu haben war zwingend notwendig, um die Prophezeiung der Heiligen Schrift zu untermauern. Im Micha 5, 1 finden wir folgenden Vers: „Und du Bethlehem im jüdischen Lande, bist keineswegs die kleinste unter den Städten Juda; denn aus dir wird kommen der Fürst, der mein Volk Israel werden soll.“

Mit Bethlehem als Geburtsort wird Jesu Rolle als Messias also weiter untermauert. Die Abweisung, die Kälte der Nacht, der Stall in völliger Abgeschiedenheit wollen folgende Botschaft übermitteln: Das Jesuskind war in der Welt nicht willkommen. Schon mit der Geburt beginnt sein Leidensweg. Ebenso ist die Erzählung ein Seitenhieb auf sein eigenes Volk. Das Volk, das als das auserwählte gilt, hat Jesus nicht erkannt, sondern sogar weggeschickt. Erkannt wird er von den ärmsten der Armen, von den Hirten. Was es mit diesen auf sich hat, erfahren Sie im nächsten Artikel.

Verena Kipp