Der Anfang
Bei wunderbar spätsommerlichem Wetter brachen wir Mittags von Langenfeld zur Herbstferienfreizeit in Richtung Ameland auf.
Dass wir dieses Wetter (das, wie ich aus zweiter Hand erfuhr, in Hilden und Langenfeld die ganze Zeit über anhielt) leider nicht mitnehmen konnten, war sofort zu bemerken als wir an diesem Abend am Fährhafen Holwerd aus dem Bus ausstiegen. Ein frischer Nordseewind schlug uns entgegen und stimmte uns so auf die nächsten 10 Tage auf Ameland ein. Glücklicherweise waren wir alle mit windfesten Jacken ausgestattet, sodass wir die Fährfahrt auch vom Panoramadeck aus genießen konnten. Eine knappe Stunde später waren wir auf der Insel. Der örtliche Linienbus legte eine Extrafahrt für uns ein und brachte uns den Rest der Strecke bis zu unserer Unterkunft im Ort Ballum. Den Anreisetag beendeten wir mit einem spätabendlichen Picknick, alle hatten dafür extra Proviant mitgebracht. Dann bezogen wir unsere Zimmer und richteten uns für die erste Nacht auf Ameland ein.
Wir, das waren 20 Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren aus Orten von Düsseldorf bis Köln und sieben LeiterInnen aus Orten von Bochum bis Karlsruhe. Einige waren schon öfter auf Freizeiten, für andere war es die erste Freizeiterfahrung. In den nächsten Tagen wuchs diese Gruppe zu einem erstaunlichen Team zusammen, dass Herausforderungen wie das Herbstwetter, eine Krankheitswelle, den eigenwilligen Gasofen und sogar die kalte Nordsee erfolgreich gemeinsam meisterte.
Der Sport
Schon beim Vortreffen war klar geworden: Diese Freizeit braucht einen Basketballkorb. Unsere Unterkunft hatte einen großen Garten, gut geeignet für allerlei Sportangebote, allerdings keinen eigenen Basketballkorb. Eine hausgemachte Lösung musste her. Und so wurde gleich am ersten Tag der mitgebrachte Basketballkorb installiert. Auch wenn er über die nächsten Tage immer wieder repariert werden musste, leistete er einen ausgezeichneten Dienst. Damit war das sportliche Programm aber nicht abgeschlossen. Über die Freizeit hinweg gesellten sich dazu unter anderem: Fussball, Flag Football, Tischtennis sowie spontane Ballettstunden und Joggingrunden zum Strand.
Die Spiele
Wann immer die Lücken im Freizeitprogramm es zuließen, standen Spiele für viele im Vordergrund. Nicht nur die Spiele aus dem Materialfundus wurden eifrig genutzt, viele hatten auch ihre eigenen Lieblingsspiele mitgebracht. Auch Klassiker blieben vom Spielwillen nicht verschont. Das Schachbrett, dass ich ursprünglich nur als Rätselmaterial für einen Escaperoom mitgebracht hatte wurde rege genutzt, am letzten Tag gab es sogar ein kleines Schachturnier. Auch im Programm durften Spiele natürlich nicht fehlen. Bei Marleens Chaosspiel wurde das ganze Haus auf den Kopf gestellt. Mehrere Gruppen erlebten mit Patrick ihre ersten Abenteuer Dungeons und Dragons. Der Höhepunkt des spielerischen Programms war der Casinoabend am vorletzten Tag. Hier wurden die über die letzte Woche eingeübten Pokerkenntnisse auf die Probe gestellt.
Das Nachdenken
Das Wetter in den ersten Tagen der Freizeit gestaltete sich wechselhaft bis regnerisch. Das bedeutete, wir mussten unsere Programmplanung etwas umgestalten. So kam es, dass Fabian und Ich Samstag damit beschäftigt waren, einen eigentlich für später geplanten Programmpunkt vorzubereiten, der sich zu einem Highlight der Freizeit entwickelte: Unseren eigenen Escaperoom. Nachdem wir den ganzen Tag hinter verschlossener Tür gearbeitet hatten war es abends so weit: Zwei Gruppen musste Codes entschlüsseln, Schlösser öffnen, Bomben entschärfen und dabei immer versuchen unter schwierigen Bedingungen die Kommunikation mit der anderen Gruppe aufrecht zu erhalten.
Das Wissen der Teilnehmenden wurde bei einem Quizz auf die Probe gestellt. Während andere also Fragen beantworteten und ihr Allgemeinwissen schärften, produzierte Max‘ Quizz für mich das größte Rätsel der Freizeit: Kein Tag verging mehr, an dem nicht die ganze Gruppe Max mit lautem Applaus für sein tolles Quizz lobte. Da ich jedoch den Anfang des Quizz verpasst hatte um einen Spaziergang zum Strand zu machen, werden die Ursprünge dieser Tradition für mich für immer im Dunkeln bleiben.
Der Strand
Der Strand lag etwa zwanzig Minuten Fußweg von unserer Unterkunft entfernt. Zunächst durch das Städtchen Ballum, dann am Flugplatz vorbei und zum Schluss durch die Dünen. Im Laufe unseres Aufenthalts lernten wir in ihn unter allen erdenklichen Bedingungen kennen: Im Regen, Im Hellen, Im Dunkeln, bei Ebbe und bei Flut. Nur der Sonnenschein ließ auf sich warten. Die Natur der Gezeiten machte es uns nicht einfach: Die Flut war zeitlich nur schwer mitzubekommen. So mussten wir an einem Dienstagmorgen extra früh aufstehen um den Strand bei voller Flut zu sehen. Bei dieser Gelegenheit trauten sich dann auch einige mutige ganz ins kalte Nordseewasser.
Die Gemeinschaft
Die Teilnehmenden der Freizeit waren sehr unterschiedlich: Sie kamen aus 5 verschiedenen Städten und die Altersspanne war groß. Trotzdem etablierte sich vom ersten Tag an ein tolles Gemeinschaftsgefühl. Nach einigen Tagen wünschten sich die Teilnehmenden mehr kooperative und weniger kompetitive Programmpunkte. Diesem Wunsch kamen wir natürlich gerne nach und führten die tägliche Gruppenchallenge ein. Jeden Morgen stellte eine/r von uns aus dem Team den Teilnehmenden eine Aufgabe, die sie über den Tag hinweg als Gruppe erledigen mussten, ohne dass der Rest des Teams am Ende des Tages erraten konnte, was die Aufgabe gewesen war. Schon am ersten Challengetag stellte die Gruppe hier außerordentlichen Teamgeist unter Beweis: Das Team wurde begraben unter einem Haufen koordinierter Ablenkungsmanöver, die es unmöglich machten, zu erraten, was normal, was Ablenkung und was Challenge war.
Und es gab noch viel mehr Gelegenheiten, das Gemeinschaftsgefühl aufzubauen. Als SelbstversorgerInnen brauchten wir jeden Tag Freiwillige, die dem Team beim Kochen halfen. Diese Gemeinschaftsaufgaben zu verteilen stellte sich als völlig problemlos heraus. Alle Teilnehmenden halfen gerne aus, und Fabian musste nur wenige Male nachhaken um noch offene Dienste zu füllen. Das das Essen oft später als geplant fertig war, lag weniger an der Ineffizienz sondern viel mehr an den Ambitionen der Küchenteams. Die spiegelten sich dann aber in ausgezeichnetem Essen wieder, bei dem für alle etwas dabei war.
Die Teamarbeit sowohl unter den Teilnehmenden als auch dem Leitungsteam wurde am Sonntag besonders auf die Probe gestellt: Obwohl wir eigentlich einen entspannten Sonntag mit spätem Aufstehen verbringen wollten, traf uns stattdessen die Spitze der Krankheitswelle. Sowohl unter den Teilnehmenden als auch im Team grassierten Erkältungen und als ob das nicht genug wäre musste Max mit Verdacht auf einen Nierenstein zum Arzt. Aber das Team war gut genug aufgestellt und der gesunde Rest hoch motiviert um den Kranken die Auszeit und Ruhe die sie brauchten zu verschaffen.
Als die Freizeit sich schon dem Ende zuwendete hatten wir Gelegenheit für einen besonderen Gemeinschaftsabend: Eine unserer Teilnehmerinnen feierte ihren sechzehnten Geburtstag. Schon im Vorfeld hatten einige Teilnehmer aus Eigeninitiative zusammen mit Laura Geburtstagskuchen gebacken. Auch die Geburtstagsfeier organisierte die Gruppe in Eigenverantwortung, so dass sich das Team eine kleine Auszeit gönnen konnte um gleichzeitig den letzten Tag und den Aufbruch vorzubereiten.
Der Schluss
Natürlich waren die zehn Freizeittage viel zu schnell vorbei und schon fanden wir uns am letzten Tag vor der Abreise: Wir schliefen aus nach der Geburtstagsfeier vom Vortag. Am Nachmittag machten wir uns daran, alles zu erledigen, was noch zu tun war: Packen und Aufräumen und gleichzeitig die Wünsche der Gruppe, die noch offen waren, wenn möglich erfüllen. So wurden noch ein Schach- und ein Basketballturnier organisiert und die Challenge für diesen Tag umgekehrt: Das Team musste die Challenges der Gruppe erfüllen.
Am Abend machten wir den letzten Trip zum Strand. Während es dunkel wurde und ein großes Lagerfeuer für uns abbrannte, gaben uns unsere beiden TheologiestudentInnen Max und Laura in einer Andacht die Gelegenheit, über die vergangene Woche nachzudenken: Was wir mitnehmen und was wir zurücklassen wollen. Ich bin sicher, dass jede/r einzige von uns tolle, einzigartige Erinnerungen hat, die wir mitnehmen.
Einige davon konnten wir dann auch direkt bei unserer letzten Abschlussrunde der Freizeit austauschen. Allen Teilnehmenden verliehen wir einen individuellen Orden für ihre Leistungen während der Freizeit. Von einigen habe ich schon gehört, dass die Orden zu einem beliebten Erinnerungsstück geworden sind. Doch nicht nur die Gruppe bekam besondere Erinnerungsstücke. Auch das Team konnte sich über etwas ganz besonderes freuen. Die Gruppe hatte für uns alle individuelle Dankesbriefe geschrieben.
Und schon war der Tag der Abreise gekommen: Die letzten Dinge wurden aufgeräumt und das Gepäck nach draußen gebracht, das Haus ohne Beschwerden übergeben und schon saßen wir am Fährhafen und warteten auf die Rückfahrt. Die Ruhe im Bus auf der Rückfahrt sprach eine eindeutige Sprache: Zwar war es eine tolle Freizeit, aber sie war auch anstrengend und alle, die dabei waren, haben sich diese Ruhe verdient.
Diese Freizeit war die erste lange Freizeit, für die ich die Leitungsverantwortung hatte. Mit dem Verlauf könnte ich kaum zufriedener sein. Das habe ich allen zu verdanken, die mitgefahren sind. Zuerst natürlich meinem Kollegen aus Langenfeld, Jan, dann dem ganzen ehrenamtlichen Team: Fabian, Marleen, Max, Laura und Patrick, und natürlich auch allen Teilnehmenden. Sie alle haben die Freizeit zu einem tollen Erlebnis für uns alle gemacht.
Martin Rönsch