Sankt Martin – ein Heiliger mit starker Legendenbildung, der auch in der evangelischen Kirche seinen Platz hat.
Der Name „Martin“ bedeutet frei übersetzt „Kriegs-Mann“. Martins Vater hatte für ihn eine militärische Karriere geplant. Bald gehörte er zur Leibwache des römischen Kaisers Konstantin II. in Mailand.
Schon früh war Martin mit dem Christentum in Verbindung gekommen. Eine Legende besagt, dass er als Jugendlicher von den Erzählungen der Kreuzigung Jesu beeindruckt gewesen sei.
Martin muss ein Mann mit großer Empathie gewesen sein. Immer wieder kümmerte er sich um Menschen, die nicht seinem Stand entsprachen. Nach der berühmtesten Legende soll er mit einem frierenden Bettler seinen römischen roten Militärmantel geteilt haben. Heute denkt man meistens an das Vorbild des „Teilens“. Persönliche Konsequenzen musste Martin hinnehmen, weil er mit der Teilung des Mantels ein Hoheitszeichen des römischen Staates bewusst zerstört hat.
Seine Auseinandersetzungen mit dem römischen Militärapparat gingen noch weiter. Vor einer Schlacht in der Nähe des heutigen Worms verweigerte Martin als Offizier des römischen Besatzungsheeres die Teilnahme an den kriegerischen Handlungen. Er begründete dies damit, dass er ab sofort nicht mehr miles Caesaris, ein Soldat des römischen Kaisers, sondern miles Christi, ein Soldat Christi sei. St. Martin ist damit der erste bekannte Kriegsdienstverweigerer aus Glaubensgründen.
Was mich persönlich fasziniert, ist die erzählte Gottesbegegnung. In der Nacht nach der Mantelteilung hatte Martin der Legende nach einen heftigen Traum, in dem er den gekreuzigten Christus sah. Das Gesicht war das gleiche wie das des Bettlers, dem er den halben Mantel gegeben hatte. Er hörte im Traum den Bibelvers aus Matthäus 21: „Was Du einem meiner geringsten Brüder getan hast, hast Du mir getan.“ Daraufhin erkennt Martin, dass der Bettler niemand anderes war als eine präsente Gestalt des Christus.
Wahrscheinlich ist Martin deshalb auch in der evangelischen Kirche ein Glaubensvorbild. Sein Dienst am Menschen und sein ethisches Handeln führten ihn zu einer direkten Gottesbegegnung.
In Folge dieses Erlebnisses ist Martin seinen eigenen geistlichen Weg gegangen. Er vertiefte sein kontemplatives Leben und kümmerte sich verstärkt um benachteiligte Menschen. Später soll er Klöster gegründet haben und dann in Tours zum Bischof gewählt worden sein. Seitdem heißt er „Martin von Tours“.
Ole Hergarten
Die unbekanntere fünfte Strophe des Martinsliedes gibt von Martins entscheidendem Erlebnis Auskunft:
Sankt Martin, Sankt Martin, Sankt Martin ritt durch Schnee und Wind,
sein Ross, das trug ihn fort geschwind.
Sankt Martin ritt mit leichtem Mut, sein Mantel deckt ihn warm und gut.
Im Schnee saß, im Schnee saß, im Schnee da saß ein armer Mann,
hat Kleider nicht, hat Lumpen an.
„O helft mir doch in meiner Not, sonst ist der bittere Frost mein Tod.“
Sankt Martin, Sankt Martin, Sankt Martin zieht die Zügel an,
das Ross steht still beim armen Mann.
Sankt Martin mit dem Schwerte teilt den warmen Mantel unverweilt.
Sankt Martin, Sankt Martin, Sankt Martin gibt den Halben still,
der Bettler rasch ihm danken will.
Sankt Martin aber ritt in Eil hinweg mit seinem Mantelteil.
Sankt Martin, Sankt Martin, Sankt Martin legt sich still zur Ruh,
da tritt im Traum der Herr hinzu.
Er spricht: Hab Dank du Reitersmann, für das, was du an mir getan.